Ich habe einen Wunsch: Ich möchte in Sachen KI fit werden, insbesondere was das Schreiben und Lektorieren angeht. Zu Beginn hatte ich bei dieser Mission das Gefühl, im Nebel zu waten: Welches von den Tausenden Tools kann mir weiterhelfen? Wie eigne ich mir das nötige Know-How an? Wie soll ich bei der rasanten Entwicklung auch nur im Ansatz mithalten können?
Eine Woche voller Panik später und nach dem guten Ratschlag meiner Schwester, geduldiger zu sein, hatte ich einen Plan. Entsprechende Fortbildungen sind gebucht, passende Newsletter ( u.a. der KI-Newsletter von Jens Polomski und die Weekly AI-News der AInauten) abonniert und statt Laber-Podcasts gibt es für mich in der Mittagspause jetzt Infopodcasts. Das Herzstück meines Plans ist aber: ausprobieren! Ich habe mir eine kleine Auswahl an Tools für die verschiedenen Phasen des Schreibprozesses rausgesucht (planen, schreiben, überarbeiten) und teste sie. Denn ich bin der Überzeugung, dass es wie so oft im Leben ist: Übung macht den Meister. Und auf diese Testfahrt nehme ich euch mit!
Mein erster Halt: Roman plotten
Für den Anfang habe ich mir den Teil des Schreibprozesses vorgenommen, der mich für gewöhnlich am meisten Hirnschmalz und Mühen kostet: das Plotten. Dort, wo ich Hilfe wirklich nötig habe, wo der Schuh drückt, da, so dachte ich mir, ist genügend Motivation da, um es ernsthaft zu probieren. Denn meine bisherigen Versuche, mir einen Instagram-Post oder einen Blogartikel erstellen zu lassen, waren ernüchternd.
ChatGPT entwirft einen Plot
Deshalb habe ich ChatGPT einfach mal angequatscht:
ICH:
Hallo, bitte agiere als mein Berater. Ich möchte einen Krimi schreiben. Bitte berate mich wie eine berühmte Krimiautorin, zum Beispiel Tana French. Wir werden gemeinsam einen Plot entwerfen,
mithilfe des "save-the-cat" – Beat-Sheets.
ChatGPT:
Natürlich, lass uns loslegen! Welche Grundidee hast du schon für deinen Krimi?
ICH:
Ich möchte ihn in einem dystopischen Setting ansiedeln.
ChatGPT:
Interessant! Lass uns das "Save-the-Cat" Beat-Sheet verwenden, um die Handlung zu skizzieren.
Opening Image: Zeig uns die düstere Welt. Vielleicht eine zerrüttete Stadtlandschaft oder ein bedrohliches Regime?
Theme Stated: Was ist das zentrale Thema deines Krimis in dieser dystopischen Welt?
Set-up: Einführung des Protagonisten, seiner Ziele und Hindernisse. Vielleicht eine Ermittlerin, der*die gegen das korrupte System kämpft?
Catalyst: Ein einschneidendes Ereignis, das die Handlung vorantreibt. Vielleicht entdeckt der Protagonist ein geheimes Verbrechen oder eine Verschwörung?
Debate: Der Protagonist zögert, sich in den Fall zu vertiefen. Warum? Gibt es persönliche Risiken oder moralische Bedenken?
Lass uns hier anhalten und deine Gedanken dazu hören.
Das war die erste Überraschung für mich: ChatGPT hat ein paar Vorschläge gemacht, dann aber meine Meinung hören wollen. Das Programm hat mir die Kreativität nicht aus der Hand genommen, sondern sie sogar angeregt.
ICH:
Die Landschaft und das Setting erinnern an den Roman "Das Licht der letzten Tage" - die Menschheit ist nicht mehr organisiert ,sondern lebt in kleinen,
vereinzelten Gruppen.
Das zentrale Thema ist: Manchmal muss man sich anderen öffnen und Hilfe annehmen.
Die Protagonistin ist eine junge Frau, die einen Mord (catalyst) in der eigenen gruppe auflösen muss. Sie möchte das, wie es ihre Art ist, allein lösen. Sie kommt aber an ihre Grenzen und will
aufgeben bzw. nichts mehr damit zu tun haben.
ChatGPT:
Toll, das klingt nach einer fesselnden Geschichte! Lass uns fortfahren:
Break into Two: Die Protagonistin entscheidet sich trotz ihrer Zögern dazu, den Fall weiterzuverfolgen. Vielleicht überzeugt sie jemand in ihrer Gruppe, ihr zu helfen?
B Story: Einführung einer Nebenhandlung oder eines Nebencharakters. Vielleicht gibt es jemanden in ihrer Vergangenheit, der eine wichtige Rolle spielt oder eine Verbindung zu dem Mordopfer hat?
Fun and Games: Die Ermittlungen nehmen Fahrt auf. Hier kannst du Spannung, Humor oder überraschende Wendungen einbauen.
Midpoint: Ein entscheidender Moment, der die Richtung der Geschichte verändert. Vielleicht entdeckt die Protagonistin eine tiefere Verschwörung oder wird selbst zur Zielscheibe.
Wie denkst du über diese nächsten Schritte?
Hier wurde es dann etwas schwieriger: ChatGPT war sehr unkonkret: „Spannung, Humor oder überraschende Wendungen“ – ja, das braucht ein Roman. Und das ist die große Herausforderung.
Brainstormen mit ChatGPT
Ohne euch durch den ganzen Plot mitzunehmen (vielleicht brauche ich den ja noch 😉): Wir haben angeregt diskutiert, Ideen ausgetauscht, aufgenommen oder verworfen, und dann weiterentwickelt. Und am Ende stand ein Plot, der zwar nur ein Grundgerüst ist, aber definitiv ausbaubar.
Dabei hatte ich nie das Gefühl, nur Ideen abzukupfern. Im Gegenteil, es hat sich angefühlt wie ein Dialog unter Kolleg*innen, wie ein gemeinsames Brainstorming. Und das Gute: ChatGPT hat das Beat-Sheet immer als Gerüst mitgedacht.
Die Grenzen von ChatGPT
Am Ende wurde ich übermütig und habe darum gebeten, dass ChatGPT mir die erste Szene schreibt. Was soll ich sagen? Es war unterirdisch:
ICH:
Könntest du, basierend auf allem, was wir jetzt entwickelt haben, eine Eingangsszene schreiben?
ChatGPT:
Natürlich, gerne! Hier ist eine mögliche Eingangsszene:
Ein raumhoher Fensterfront [sic!] ließ das diffuse Licht der Großstadt in das minimalistisch eingerichtete Büro fallen. In der Ecke stand ein eleganter Schreibtisch aus dunklem Holz, darauf verteilt lagen sorgfältig angeordnete Akten. Am Fenster lehnte eine Person in einer makellosen schwarzen Anzugjacke, der Blick in die Ferne gerichtet. Der Raum wirkte wie eine Mischung aus Präzision und Rätselhaftigkeit – ein Ort, an dem Entscheidungen getroffen wurden, die das Gleichgewicht der Schatten beeinflussten.
ICH:
Hat sie ein Büro? In diesem dystopischen Setting?
ChatGPT:
Mein Fehler, das war vielleicht zu konventionell. In einem dystopischen Setting könnte ihre "Basis" eher einem abgelegenen, unterirdischen Raum ähneln. Dunkle,
schlichte Gänge, matte Neonlichter, und anstelle eines Schreibtischs vielleicht eine holographische Anzeigetafel, die Informationen in der Luft schweben lässt. Die Atmosphäre wäre geprägt von
Geheimhaltung und der ständigen Überwachung durch futuristische Technologien.
ICH:
Es gibt kaum noch Technologie. Die Gruppe haust in einem verlassenen, von der Natur zurückeroberten Dorf.
ChatGPT:
Ah, das ändert natürlich alles. Hier ist die überarbeitete Szene:
In einem verlassenen Dorf, überwuchert von der Natur, ragten die Ruinen der Vergangenheit empor. Zwischen den von Pflanzen umrankten Mauern verbarg sich der Eingang zu einem abgewrackten Gebäude. Im Inneren, von spärlichem Licht durchzogen, versammelten sich die Mitglieder der Gruppe. Deine Protagonistin stand an einem improvisierten Tisch aus recycelten Materialien, umgeben von Karten, Werkzeugen und einer lebendigen Karte des umliegenden dystopischen Terrains. Ein Hauch von Entschlossenheit lag in der Luft, während sie die nächsten Schritte in dieser von der Natur beanspruchten Welt planten.
Mehr nichtssagendes Klischee gehen ja kaum. Und genau das ist, was ich immer wieder beobachten darf und was mir die Literatur zum Thema auch bestätigt: Richtig gut schreiben kann ChatGPT noch nicht. Und man muss die Prompts dann wirklich sehr passgenau setzen, um etwas Brauchbares zu bekommen.
Plotten ja, schreiben nein
Mein Fazit: Zum Plotten werde ich das Tool sicher wieder nutzen. Denn es hat einfach Spaß gemacht, gemeinsam an der Story zu arbeiten. Es entwirft auch Charaktere (die man allerdings auf allzu krasse Stereotype abklopfen sollte) und ist ein wunderbarer Ideengeber beim Gedanken-Ping-Pong. Wenn es aber ans Detail geht, nehme ich gern wieder die Zügel in die Hand. Da reicht mir die Qualität noch lange nicht.
Mit einer Ausnahme: Wenn ich beim Schreiben feststecke, bitte ich ChatGPT gelegentlich, mir die Szene, bei der ich nicht weiterkomme, zu schreiben. Das gefällt mir in der Umsetzung nie, aber: Die Ideen, die darin stecken, regen mein Kopfkino an und bringen mich auf neue Ideen. Schon ist die Schreibblockade wie weggeblasen.
Alternative Tools zum Plotten
Ich habe es für den Anfang mit dem Klassiker versucht, aber auch in andere Tools reingeschaut. Neuroflash, das eigentlich durch die Bank gelobt wird, war ehrlich gesagt überhaupt keine Hilfe. Aber vielleicht bin ich in dessen Handhabung einfach noch zu stümperhaft. Jasper steht noch auf der Liste der Tools, die ich ausprobieren möchte und novelistAI und Marlowe klingen vielversprechend.
Ich freue mich, wenn du kommentierst, mit welchen Tools du gute Erfahrungen gemacht hast – oder schlechte. Denn ich bin der Überzeugung, dass wir davon profitieren, wenn wir unsere Erfahrungen teilen.
Post Scriptum
Auch das Titelbild für diesen Text hat eine KI generiert: der neue Bing-Chat
Außerdem habe ich zum Schluss mit ihm Papyrus Autor gefüttert und das hat mir stilistisch noch ein paar Tipps gegeben. Voilà!
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Sabrina (Dienstag, 28 November 2023 14:06)
Klasse, mir sind da ebenfalls sehr stereotypische Formulierungen negativ aufgefallen. Ich nutze ChatGPT auch lieber wenn ich mal feststecke als Starthilfe oder eben um eine grobe Struktur zu brainstormen. Dabei hilft es mir immer am meisten, da wo ich mir etwas schwer tue, wo ich aber genau weiß welche Stellschrauben ich feinjustieren muss, wenn ich das Ergebnis prüfe. Wirklich betrachte ich es am liebsten als ein gutes Gespräch mit einer recht unbeteiligten aber pragmatischen Kollegin.
Danke auch für die Inspiration, ich prompte ChatGPT eben im Versuch eine fiktive Lektorin zu simulieren und mir mit Rat und Tat zur Seite zur stehen.
Katharina Spangler (Samstag, 02 Dezember 2023 18:33)
Danke für deinen Kommentar. Als Starthilfe finde ich es auch sehr gut. Berichte gern, wie ChatGPT als Lektorin abgeschnitten hat ;-)-