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Schreibblockaden? Kenne den Schreibprozess!

Wo es hakt, was dir helfen kann und warum alles mit allem zusammenhängt

Wenn mir jemand in der Schreibberatung sagt: „Ich habe Probleme beim Schreiben!“, dann frage ich nicht unbedingt: „Welche?“, sondern manchmal auch: „Wann?“ Gemeint ist damit nicht, ob es morgens oder abends schwieriger ist – auch wenn das durchaus eine Rolle spielen kann. Sondern ich will wissen, an welchem Punkt im Schreibprozess die Schreibprobleme auftauchen. Denn schreiben ist viel mehr als nur reine Textproduktion. Der Schreibprozess beginnt schon viel früher, nämlich bei der Ideenfindung und Planung, und geht auch nach der ersten Version eines Textes noch weiter. In all diesen Phasen können Probleme und Schreibblockaden auftauchen. Und manchmal beeinflussen Schwierigkeiten in einer Phase auch das Arbeiten in anderen. 

Schreibprozess – So schreiben wir

Deshalb ist es hilfreich zu wissen, wie der Schreibprozess eigentlich abläuft.

Die Schreibwissenschaft beruft sich dabei häufig auf das Schreibmodell von Hayes und Flowers. Es wurde erstmals 1980 und unterteilt den Schreibprozess in drei Hauptkomponenten:

 

Planung: In dieser Phase sammeln Schreiber*innen Ideen, organisieren Gedanken und machen einen Plan für das Schreiben. Dazu gehören Aktivitäten wie das Generieren von Ideen, das Organisieren dieser Ideen und das Festlegen von Zielen für den Text.

 

Texterstellung: In dieser Phase wird der Plan in tatsächlichen Text umgesetzt. Die Schreiber*innen formulieren Sätze und Absätze, die ihre Gedanken und Ideen ausdrücken.

 

Überarbeitung: Diese Phase beinhaltet das Überarbeiten des geschriebenen Textes. Die Schreibenden überprüfen und ändern den Text, um die Klarheit, die Struktur, den Stil und die Genauigkeit zu verbessern. Dies kann das Umschreiben von Abschnitten, das Korrigieren von Grammatik und Rechtschreibung und das Anpassen des Stils umfassen.

 

Das Modell betont auch die Wichtigkeit des Schreibkontextes und der Interaktion zwischen dem Schreiber oder der Schreiberin, dem Text, dem Schreibanlass, dem Thema und den potenziellen Leser*innen. Auch der gerade im Entstehen begriffene Text beeinflusst das Schreiben.

Um einen Text zu schreiben, nutzen Schreiber*innen verschiedene Quellen:

  •  Ihr Wissen zum Thema, das im Langzeitgedächtnis gespeichert ist 
  • Ihr Wissen über die Adressat*innen
  • Ihr Wissen über Textsorten- bzw. Muster

Das Modell hat die Forschung im Bereich des Schreibens maßgeblich beeinflusst und wird oft in der Schreibdidaktik verwendet, um den Prozess des Schreibens zu lehren und zu verstehen.

 

Die fünf Phasen des Schreibens – Mein bevorzugtes Modell

Ich selbst arbeite in der Schreibberatung mit einer leichten Anpassung der Schreibphasen, die etwas ausführlicher und in der Praxis aus meiner Sicht gut nachvollziehbar ist. Sie fächert die drei Hauptphasen noch etwas auf:

 

1.)   Ideenfindung

Du näherst dich deinem Thema, deiner Fragestellung und deinem Ziel. Du suchst Ideen und Ansatzpunkte, für deinen Text. Diese Phase ist besonders kreativ.

 

2.)    Recherche

Je nach Texttyp und Vorwissen musst du dich mehr oder weniger in dein Thema einarbeiten. Zu dieser Phase zähle ich auch die Lektüre und die Auseinandersetzung damit. Die Recherche ist nicht zwingend abgeschlossen, bevor du in die weiteren Phasen einsteigst.

 

3.)    Strukturierung

Dein Text braucht Struktur. Die einen schaffen sie, bevor sie mit dem Schreiben beginnen, andere erschreiben sie sich. Deshalb ist diese Phase flexibel einzuordnen.

 

4.)    Schreiben

Die eigentliche Schreibarbeit, das Schreiben des (Roh-)Textes ist nur ein Teil des Schreibprozesses und läuft bei allen Schreibenden ganz unterschiedlich ab. Siehe dazu auch meinen Blogartikel zu den verschiedenen Schreibtypen.

 

5.)    Überarbeitung

Je nach Textart und Schreibtyp kann diese Phase sehr umfangreich sein und bis zu 50 oder 60 Prozent des gesamten Schreibprozesses in Anspruch nehmen.

 

Die fünf Phasen sind nicht immer linear in dieser Reihenfolge zu verstehen, aber die Ideenfindung steht in der Regel am Anfang und das ausführliche Überarbeiten am Ende.

 

Typische Probleme in den einzelnen Schreibphasen – und Lösungsideen

In jeder der Schreibphasen können Probleme auftreten, die den Schreibprozess blockieren. Im Folgenden findest du den Phasen zugeordnete typische Probleme (es gibt natürlich noch mehr) und passende Lösungsideen.

 

Ideenfindung

Ganz oft ist es so, dass man entweder gar keine Ideen hat – oder viel zu viele. Beides kann einen blockieren. Viel ist nicht immer gut, wenn man sich nicht zwischen verschiedenen Ideen entscheiden kann. Oder man hat zwar passende Ideen, ist sich aber unsicher, ob sie relevant oder originell genug sind.

 

 

In dieser Phase eignen sich Techniken, die die Kreativität anzuregen. Zum Beispiel Cluster oder Freewriting. Mind-Maps sind eine gute Möglichkeit, um Ordnung in überbordende Ideen zu bringen. Und um zu prüfen, ob die eigenen Ideen etwas taugen, setzt man sie am besten der Kritik aus: Du kannst in die Rolle deines eigenen Kritikers schlüpfen und aus einer anderen Perspektive auf deine Ideen schauen oder du fragst Kolleg*inne, Mentor*innen oder Expert*innen zum Thema. Und, wenn die alle nicht greifbar sind, darf auch die KI dein Kritiker sein. 

Recherche

In der Recherchephase kann es vorkommen, dass du entweder von der Menge an Informationen überwältigt wirst oder Schwierigkeiten hast, relevante Daten zu finden. Dies kann auf eine zu breite oder zu unspezifische Fragestellung zurückzuführen sein. Ebenso kann es herausfordernd sein, fachspezifische Literatur zu verstehen und zu verarbeiten.

 

 

In beiden Fällen ist es wichtig, dass du eine klar definierte Frage für deinen Text findest und effektive Suchstrategien nutzt. Für die Verarbeitung der Lektüre sind bestimmte Schreibtechniken nützlich: Du kannst zum Beispiel den Text so zusammenfassen, dass ihn ein 8-jähriges Kind verstehen kann, oder den Autor des Textes in ein fiktives Interview verwickeln. Die KI kann dich ebenfalls dabei unterstützen, Texte zusammenzufassen oder vereinfacht wiederzugeben. Aber Achtung: Was du dir selbst erarbeitest, bleibt besser im Gedächtnis haften!

Strukturierung

 

 

Die Strukturierung deines Textes kann eine Herausforderung sein, besonders wenn du eine Fülle von Informationen hast oder unsicher bist, wie du deine Argumente am besten anordnest.

 

 

Schreibtechniken wie das Clustern, Rückstrukturieren oder die Gliederung anhand eines roten Fadens helfen dir dabei, auch einen umfangreichen Text sinnvoll zu gliedern und die einzelnen Teile logisch miteinander zu verknüpfen. Nutze auch visuelle Hilfsmittel, wie eine Mind-Map, oder diskutiere deine Gliederungsidee mit Kolleg*innen. Oftmals fallen Puzzleteile schon zusammen, wenn du deine Idee nur erläuterst.

Schreiben

Das eigentliche Schreiben kann durch verschiedene Faktoren behindert werden, wie Schreibblockaden, Perfektionismus oder Schwierigkeiten, Gedanken in Worte zu fassen. Je nachdem, welcher Schreibtyp du bist, können ganz unterschiedliche Probleme auftauchen.

 

 

Einigen hilft es, im Freewriting draufloszuschreiben. Autor*innen, die von sich aus sehr planlos ans Schreiben herangehen, brauchen vielleicht etwas mehr Halt und Strukturierung. Manchmal hilft es ganz banal, den Schreibort zu wechseln oder die Tastatur gegen Papier und Stift zu tauschen. Was genau dir helfen kann, finde ich gerne mit dir gemeinsam heraus. Diese Phase ist die, die wir in der Schreibberatung am intensivsten miteinander beackern – aber nicht, ohne auch in den anderen auf Problemsuche zu gehen. 

Überarbeitung

Die Überarbeitungsphase kann zeitaufwendig sein, besonders wenn es darum geht, den Stil, die Klarheit und die Kohärenz des Textes zu verbessern. Planvolle Schreiber*innen müssen oft weniger überarbeiten, für Schreibtypen, die zum Drauflosschreiben neigen oder viele verschiedene Versionen schreiben, kann die Überarbeitungsphase schon mal mehr als die Hälfte der Arbeitszeit am Schreibprojekt einnehmen. Eine Partitur, die schon beim Schreiben mit Sonderzeichen Überarbeitungsbedarf anzeigt, oder ein Schreibtagebuch können dabei helfen, den Überarbeitungsprozess strukturiert anzugehen.

 

Ganz wichtig aus meiner Sicht ist:

  • Teile den Überarbeitungsprozess in mehrere Arbeitsdurchgänge auf
  • Lasse den Text ruhen, bevor du mit der Überarbeitung beginnst
  • Nutze sinnvolle Hilfsmittel, wie Rechtschreib- und Grammatikprüfung oder den stilistischen Korrektor von Papyrus Autor.

 

Das sind nur einige Ideen und Ansätze, wie du phasenspezifische Probleme angehen kannst. Noch etwas komplizierter wird es, wenn die Blockade in einer Phase auftritt, die Ursache aber in einer anderen liegt.

 

Schreibphasen beeinflussen sich – rückwirkend und vorausschauend

Wenn du in der Schreibphase nicht weiterkommst, kann die Ursache sowohl in einer vorherigen als auch in einer kommenden Phase liegen: Vielleicht hast du unzureichend recherchiert, nicht zielführend strukturiert oder deine Idee trägt dich nicht durch den gesamten Text. Dann solltest du noch einmal einen Schritt zurückgehen.


Es geht aber auch in die andere Richtung: Vielleicht hast du so viel Sorge, dass dein Text zu viel Überarbeitung benötigt. Oder du bist der Meinung, du müsstest einen Text produzieren, der nahezu druckreif ist, sodass du komplett blockiert bist. Dann hilft es, sich schon einen groben Plan für die Überarbeitung zu überlegen und Ideen zur Überarbeitung, die dir beim Schreiben bereits kommen, separat in einem Nebentext zu dokumentieren. In Papyrus Autor hast du beispielsweise in deiner Schreibumgebung gleich eine Pinnwand integriert, die sich dafür bestens eignet.

 

Du siehst also: Man muss etwas Detektivarbeit leisten, um herauszufinden, was eine Schreibblockade auslöst. 

 

Der Schlüssel zum erfolgreichen Schreiben

Der Schlüssel zum erfolgreichen Schreiben liegt darin, den eigenen Schreibprozess zu verstehen und anzuerkennen, dass es keine Einheitslösung gibt. Jede und jeder Schreibende hat eine eigene Herangehensweise, und was für den einen funktioniert, muss nicht unbedingt für die andere passen. Es ist ein ständiger Lernprozess, in dem man seine Methoden und Techniken anpasst und verfeinert.

 

Abschließend möchte ich betonen, dass Schreiben eine Fähigkeit ist, die man mit Übung und Geduld verbessern kann. Sei nachsichtig mit dir selbst und erlaube dir, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Suche aktiv nach Feedback und sei offen für Veränderungen und Anpassungen in deinem Schreibprozess.

 

 

Wenn du Hilfe dabei benötigst, deinen eigenen Schreibprozess zu analysieren, herauszufinden, wo es bei dir hakt, und wie du Schreibblockaden überwinden kannst, melde dich gerne bei mir! In der Schreibberatung ermitteln wir gemeinsam deinen Schreibtyp, schauen uns die für dich typischen Problemfelder an und ermitteln Lösungen und Methoden, die du für dein zukünftiges Schreiben mitnehmen kannst. 

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