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Überschriften im Ratgeber: viele kleine Titel

Einen guten Buchtitel zu finden ist gar nicht so einfach. Ich war beide Male erleichtert, als wir ihn endlich unter Dach und Fach hatten. Und dann kamen die Überschriften. Die hatte ich unterschätzt, auch wenn ich als Lektorin so oft mit anderen Autor*innen an deren Überschriften gefeilt hatte. Im Grunde ist es so, als müsste man sich für jedes (Unter-)Kapitel einen eigenen Titel überlegen. Wenn du mit diesem Anspruch an die Überschriften herangehst, bedeutet das zwar Arbeit, aber am Ende hast du dann auch keine Notlösung, sondern richtig gute Zeilen. Im Gegensatz zur Titelfindung kommt bei den Überschriften aber noch eine weitere Herausforderung dazu: Sie müssen gut strukturiert sein. 

Was müssen Überschriften können?

Aber fangen wir von vorne an. Warum brauchen wir Überschriften und was müssen sie im Text leisten? Überschriften strukturieren den Text und erleichtern das Auffinden bestimmter Inhalte. Sie machen deinen Ratgeber leichter zugänglich. Kapitel und Absätze allein könnten das nicht. Überschriften haben deshalb sogar gleich mehrere Funktionen.

Überschriften sollen ...

  • Orientierung und einen Überblick bieten (im Text und im Inhaltsverzeichnis).
  • zusammenfassen: Sie bringen den Inhalt eines Kapitels auf den Punkt.
  • die Neugier auf den folgenden Inhalt wecken.
  • Hierarchien herstellen: Sie gliedern den Text und bieten eine Wegbeschreibung von A nach B.
  • Schwerpunkte setzen: Durch kluge Auswahl kannst du bestimmte Informationen oder Themen hervorheben.
  • die Lektüre erleichtern: Die Leser*innen können sich aussuchen, was sie zuerst lesen wollen.

Wie strukturiert man Überschriften richtig?

Damit sie diese Aufgaben erfüllen können, musst du sie richtig einsetzen und somit deinen Text strukturieren. Du wirst zu Beginn deines Schreibprozesses sicher eine Gliederung im Kopf, auf Papier oder in deinem Dokument haben. Diese wird sich aber im Laufe des Schreibens immer mal wieder ändern. Trotzdem solltest du in diese erste Gliederung genug Zeit investieren, denn sie gibt deinem Buch die Struktur und den Überschriften Hierarchien vor. 

Hierarchie-Ebenen

Überlege dir im Vorfeld, wie viele Hierarchie-Ebenen du brauchst und achte darauf, nicht zu kleinteilig zu werden. Die Überschrift 4.2.2.3.1 funktioniert vielleicht in einem Fachbuch, aber sicher nicht in einem Ratgeber. Ich rate zu drei bis maximal vier Überschriftenebenen. Alles was darunter ist, kann man im fertigen Buch auch mit Fettungen oder anderweitigen grafischen Elementen kenntlich machen. In der Regel erscheinen alle Hierarchieebenen auch im Inhaltsverzeichnis. Du kannst dich aber auch dafür entscheiden, die niedrigste dort wegzulassen.

Achte darauf, dass auf Überschriften der gleichen Ebene in etwa die gleiche Menge Text folgt. Hier geht es nicht um Wort- oder gar Zeichenzahlen. Aber gleichwertige Kapitel sollten zumindest annährend eine ähnliche Seitenzahl haben. Sonst musst du vermutlich die längeren Kapitel noch einmal unterteilen. 

Einheitlichkeit

Ich finde es schön und rate immer dazu, Überschriften der gleichen Ebene auch sprachlich einheitlich aufzubauen. Wie hier in diesem Blogbeitrag. Wir haben eine Überschrift 1. Ordnung (Überschriften im Ratgeber: viele kleine Titel), deren Muster (mit Doppelpunkt) nur einmal im Text vorkommt. Es folgen Überschriften 2. Ordnung (z.B. Was müssen Überschriften können?) die alle als Frage formuliert werden. Die Überschriften 3. Ordnung sind nur noch einzelne Wörter (z.B. Hierarchie-Ebenen). Je kleinteiliger ich wurde, desto knapper und einfacher auch meine Überschriften. (Das geht auch andersherum sehr gut: von einfach zu komplexer.) Und trotz eines stilistischen Wechsels wirkt die Gestaltung der Überschriften nicht zu durcheinander oder willkürlich. 

Passung

Natürlich muss, und das ist eigentlich am wichtigsten, die Überschrift inhaltlich zu dem Kapitel oder Unterkapitel passen, das auf sie folgt. Klingt logisch, wird aber ganz oft nicht eingehalten, weil Autor*innen sich bei den Überschriften verkünsteln. Deshalb sind Überschriften bestens dazu geeignet, deinen eigenen Text daraufhin zu prüfen, ob er auf den Punkt kommt und die Absätze und Kapitel gut strukturiert sind. Wenn es dir nicht gelingt, die Aussage eines Kapitels in eine passende Überschrift zu bekommen, dann musst du vielleicht deinen Text noch einmal überarbeiten. 

Wie lassen sich Überschriften sprachlich gestalten?

Einige Arten, Überschriften zu formulieren, hast du bereits kennengelernt. Es gibt keine festen Regeln, aber ich habe ein paar Ideen für dich, an denen du dich bedienen kannst, und Hinweise, die dir das Formulieren erleichtern können.

Überschriftenarten

  • Fragen (Wie strukturiere ich Überschriften richtig?)
  • Anweisungen (So strukturierst du Überschriften richtig)
  • Ein-Wort-Überschriften (Überschriftenstruktur)
  • Doppelpunkte (Überschriften: ihre Struktur)
  • Aussagen (Überschriften brauchen eine gute Struktur)
  • Imperative (Strukturiere deine Überschriften richtig)
  • Zusammenfassungen (Struktur ist das A und O)
  • Zitate („Die Struktur ist entscheidend.“)
  • Überraschungen/Humor („Als der Hund die Überschrift fraß“)

Das sind nur einige der Möglichkeiten, wie du Überschriften sprachlich gestalten kannst. Und du siehst an den Beispielen: Alle haben eine andere Wirkung, nicht jede Art passt wirklich zum Thema und manchmal fällt einem auch einfach nichts ein. 

Formulierungshilfen

Daneben kannst du auf ein paar Punkte achten, wenn du deine Überschriften formulierst:

  • Schreibe klar und prägnant.
  • Vermeide Abkürzungen und Fremdwörter.
  • Versuche, dich kurz zu fassen.
  • Speziell im Ratgeber: Verwende eine aktive, positive Sprache.
  • Werde spezifisch und vermeide zu allgemeine und nichtssagende Formulierungen.

Typische Fehler

Du siehst, es ist gar nicht so einfach mit den Überschriften. Deshalb ist das auch ein Feld, bei dem im Lektorat oft viel zu tun ist. Meiner Erfahrung nach liegt das nicht an mangelndem Können der Autor*innen, sondern schlicht an der Tatsache, dass Überschriften nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und das wiederum hängt damit zusammen, dass nicht allen klar ist, wie viel Potenzial sie haben und wie sehr gute Überschriften einen Ratgeber aufwerten können. 

 

Einige der typischen Fehler habe ich für dich zum Abschluss gesammelt, damit du sie in Zukunft vermeiden kannst:

  • Eine Überschrift z. B. 2. Ordnung folgt direkt auf eine Überschrift 1. Ordnung. Im Fachbuch ist so etwas möglich, im Sachbuch und im Ratgeber generell auch. Aber schön ist anders. Wenn da eine Überschrift steht, dann muss auch Text kommen. Denn sonst braucht es eine der beiden Überschriften vermutlich nicht.
  • Die Überschriften werden fröhlich durchnummeriert. Dann entsteht etwas wie "4.3.2.1 Überschriftenstruktur". Auch das gehört, zumindest in dieser Konsequenz, eher ins Fachbuch. Und auch da finde ich es nicht besonders gelungen. Die Überschriften erster Ordnung finde ich nummeriert auch in Ordnung, danach wird es für mein Empfinden gruselig und erinnert an Master- oder Doktorarbeiten. Und die sind ja nicht gerade für ihre Leserfreundlichkeit bekannt.
  • Die Überschriften sind zu lang. Ganz einfach. Ja, manchmal klingen bestimmte Sätze sehr gut. Und ja, man würde gerne schon in der Überschrift alle wichtigen Learnings aus dem Kapitel transportieren. Aber spätestens im Inhaltsverzeichnis finden sich die Leser*innen dann vor lauter Text nicht mehr zurecht.
  • In einem einzigen Buch kommen unzählige Formulierungsvarianten vor und das auch noch durch alle Ebenen bunt verteilt. Je klarer, je konsistenter, je einfacher – desto besser für die Leser*innen. Sie werden vielleicht bei der Lektüre gar nicht merken, warum ihnen die Orientierung fehlt. Aber sie wird ihnen fehlen.
  • Die Überschrift passt nicht zum Inhalt eines Kapitels. Das passiert so oft. Vielleicht, weil sich der Inhalt im Schreibprozess doch nochmal geändert hat. Oder weil der Autor oder die Autorin an einer besonders schönen Überschrift hängt, die den Nagel aber nicht unbedingt auf den Kopf trifft. Kill your darlings!
  • Autor*innen verkünsteln sich bei den Überschriften.  Andeutungen, Anspielungen, Wortspiele, Wortneuschöpfungen usw.: bitte nur in Maßen und wenn du dir sicher bist, dass sie auch wirklich verstanden werden. Dazu musst du deine Zielgruppe richtig gut kennen. 
  • Die Überschriften bleiben kryptisch, weil die Autor*innen nichts vorwegnehmen wollen. Doch. Bitte. Nimm das wichtigste vorweg, indem du es in die Überschrift packst. So funktioniert ein Ratgeber. Die Leser*innen wollen wissen, was sie erwartet. Nur dann lesen sie weiter. Du kannst auch mal mit Neugier arbeiten, aber nicht ausschließlich.

Damit hast du nun hoffentlich einen guten Fahrplan für die Gestaltung deiner Überschriften zur Hand. Wenn du noch Fragen hast, melde dich gerne. Als Lektorin unterstütze ich dich auch beim Schreibprozess oder optimiere im Lektorat gemeinsam mit dir deine Überschriften.