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Ratgeber schreiben: Den richtigen Einstieg finden

Wer kennt sie nicht: die Angst vor dem leeren Blatt. Auch wenn du einen Ratgeber schreibst, ist oft aller Anfang schwer. Aber irgendwo musst du anfangen. Deshalb zeige ich dir in diesem Artikel einige Möglichkeiten, wie du einen guten Einstieg für dein Buch findest. 

Der Einstieg ist entscheidend

Der Einstieg deines Buches ist deshalb so entscheidend, weil du die Leser*innen dort abholst. Im extremsten Fall entscheidet sich schon ganz zu Beginn, ob die sie dabeibleiben oder das Buch zur Seite legen. Sie müssen wissen, warum dein Buch es wert ist, gelesen zu werden, ob sie Hilfe erwarten können und ob du der oder die Richtige bist, um ihnen zu helfen.

Dein Einstieg bietet also im Idealfall:

  • Identifikationspotenzial: Deine Leser*innen spüren, dass sie gemeint sind, und erkennen ihr Problem wieder.
  • Expertise: Du positionierst dich schon zu Beginn als jemand, der Ahnung hat, wovon er hier schreibt. Egal, ob du selbst vom Problem deines Leser*innen betroffen warst oder Erfahrung darin hast, anderen damit zu helfen. Du bist der Experte oder die Expertin und zeigst das auch. 
  • Motivation: Die Leser*innen müssen Lust haben, mit deinem Ratgeber zu arbeiten. 
  • ein Versprechen: Im Grunde muss dein Einstieg Folgendes vermitteln: „Es lohnt sich für dich, weiterzulesen!“

Um das zu erreichen, gibt es kein für alle gültiges Erfolgsrezept, aber ein paar Zutaten, die dir helfen können. Alle auf einmal sind bestimmt zu viel des Guten. Aber du hast die Möglichkeit dir den Einstieg auszusuchen, der für dich und dein Thema am passendsten ist.

 

(Die von mir gewählten Beispiele repräsentieren nicht immer die Reinform des jeweiligen Einstiegs. Das ist auch gut so. Variation und Mischformen sind möglich und spannend, die Kategorisierung soll dir nur bei deinem eigenen Schreiben helfen. Aber die Bücher geben einen Eindruck davon, was gemeint ist.)

Einstieg über das Thema

Das ist die klassischste Variante, die etwas tröge daherkommen kann – aber nicht muss. Sie eignet sich vor allem dann, wenn dein Thema, deine Fragestellung relativ neu ist oder einer gewissen Erklärung bedarf. Ein Abnehm-Ratgeber hat ein recht klar umrissenes Thema, Gewicht verlieren, das man niemandem mehr erklären muss. Hast du aber eine komplett neue Methode entwickelt, wie das gelingen kann, dann ist das durchaus geeignet für den Einstieg.

 

Achte aber darauf, dass die Erklärungen nicht zu lang(weilig), zu trocken oder zu wissenschaftlich werden. Dein Ratgeber sollte nicht in zwei Teile zerfallen (Theorie und Praxis), sondern immer schon Tipps und Ratschläge enthalten. Stecke dein Thema kurz und knapp ab, wecke die Neugier und mache Lust auf mehr. Wenn die Leser*innen denken: „Spannendes Thema, darüber möchte ich mehr erfahren, das könnte mir bei meinem Problem helfen“, dann hast du es richtig gemacht. 

 

Beispiel: Svenja Krämer und Hanna Meyer: Muttertät. Wenn sich plötzlich alles anders anfühlt: Wie das Mutterwerden unseren Körper, unsere Persönlichkeit und unser Leben verändert. mvg, 2022

Einstieg über deine Geschichte

Sehr viel persönlicher wird es, wenn du deine eigene Geschichte erzählst. Ging es dir einst, wie es deinen Leser*innen jetzt geht? Dann erzähl davon – und vor allem auch davon, dass es dir jetzt besser geht. Deine Leser*innen fühlen sich dann im besten Fall verstanden, erkennen sich wieder und hoffen, dir auf deinem Weg folgen zu können. 

 

Allerdings kann sich bei dieser Art des Einstiegs der Fokus verschieben, von deinen Leser*innen auf dich. Und das ist im Ratgeber gerade nicht gefragt. (Im Erfahrungsbericht hingegen schon!) Pass also auf, dass deine Geschichte nicht zu detailliert, zu ausufernd, zu rührselig oder zu austauschbar wirkt. Das alles würde Lesende verschrecken. Übrigens lässt sich diese Art des Einstiegs auch gut in ein Vorwort auslagern.

 

Beispiel: KC Davis: Kopf über Wasser im Alltagschaos: Wie du mit deinem Haushalt und dir selbst Frieden schließt – Das sensationelle Selfcare-Aufräumbuch. Dtv, 2022

Einstieg über deine Expertise

Deine Betroffenen-Geschichte weist dich in der Regel als Expert*in aus. Wenn du aber eher auf der anderen Seite stehst, also Betroffenen hilfst, kannst du dennoch mit deiner Expertise arbeiten. Du bist Coach, Berater*in, Arzt oder Ärztin oder Pädagog*in und hast aus deiner Berufspraxis heraus eine Menge Erfahrungen mit und Tipps für Betroffene? Perfekt. Dann schreibe davon. Vielleicht mit einem passenden Beispiel aus deinem Berufsalltag, oder einer Frage, mit der du immer und immer wieder konfrontiert wirst. Und vergiss nicht darüber zu schreiben, dass und wie du Betroffenen schon helfen konntest. Das schafft Vertrauen und gibt den Leser*innen das Gefühl, in den richtigen Händen zu sein. 

 

Du musst nur aufpassen, dass du nicht anfängst, dich über den Klee zu loben und zu beweihräuchern. Es ist wichtig, dass du zeigst, was du kannst oder weißt. Aber auch hier soll der Fokus auf deinen Leser*innen bleiben. Zeige, wie und warum du ihnen helfen kannst, nicht in erster Linie, wie toll du bist. 

 

Beispiel: Tina Molin: Endlich wieder Lust auf Sex!: Wie ich mit Mitte Vierzig mein Liebesleben neu entdeckte. Goldmann, 2021

Einstieg über einen AHA-Moment

Für diese Art des Einstiegs aber auch für die eigene Geschichte gibt es eine Variation. Gibt es einen Moment in deinem Leben, indem du erkannt hast, wie sehr dein Thema dich betrifft? Weil du plötzlich wusstest: Ich brauche Hilfe? Oder gemerkt hast: Ich kann anderen bei diesem Problem wirklich gut helfen? Weil du eine neue Methode entdeckt hast oder erfahren hast, wie diese helfen kann. So ein Aha-Moment ist ideal, um deine Leser*innen in den Bann zu ziehen. Kurz aber eindringlich. Er erläutert im Grunde deine Motivation, diesen Ratgeber zu schreiben.

 

Wichtig hierbei: Es muss diesen Moment wirklich gegeben haben. Konstruierte Erweckungserlebnisse, um es mal auf die Spitze zu treiben, wirken nicht authentisch. Deine Leser*innen fühlen sich dann auf den Arm genommen. 

Einstieg über das Problem

Du kannst aber auch von einer anderen Perspektive her denken: indem du das Problem schilderst, welches du lösen willst. Beschreibe eine typische Situation deiner Leser*innen, die dazu führt, dass sie deinen Ratgeber zur Hand nehmen. Beschreibe ihren Alltag, mit einer bestimmten Krankheit, einem immer wiederkehrenden Erziehungsproblem, Herausforderungen im Job oder worüber auch immer du schreibst. Das muss nicht besonders lang sein, kann vielleicht nur eine ganz typische Szene sein. Aber damit wirst du viel Identifikationspotenzial schaffen. Die Lesenden wissen dann sofort: „Ich bin gemeint, ich gehöre zur Zielgruppe dieses Ratgebers, hier wird mir sehr wahrscheinlich geholfen.“

 

Die Kunst hierbei ist es, nicht zu negativ zu werden. Deine Leser*innen haben ja sowieso schon ein Problem, das sie bedrückt, oder eine Herausforderung, bei der sie Hilfe brauchen. Sie wollen also nicht seitenlang lesen, wie schlecht es einem damit geht. Übertreibe also nicht mit Katastrophenszenarien und mache rechtzeitig einen Schnitt hin zu Hilfs- und Lösungsangeboten.

 

Beispiel: Isabell Prophet: Das Eltern Zeit Buch: Mehr Freiraum, mehr Glück, mehr Leben im ersten Babyjahr. 2022

Einstieg über das Ziel

Oder du machst es genau umgekehrt und gehst vom Ziel, vom Soll-Zustand aus: Beschreibe, wie es deinen Leser*innen gehen wird, wenn sie mit deinem Buch gearbeitet haben. Wie sie sich fühlen werden, was sie erreicht haben werden. 

 

Achtung: Hier musst du sehr vorsichtig sein und darfst nichts versprechen, was du nicht halten kannst. Denn sonst bleiben die Leser*innen vielleicht bis zum Schluss dabei, sind aber am Ende enttäuscht. 

 

Beispiel: Brigitte Windt: Mach dich selbstständig. Ariston, 2015

Einstieg über Fakten

Einige Themen liefern so spannende Fakten, dass sie sich für den Einstieg eignen. Eine Zahl, mit der niemand gerechnet hat. (95% aller Berufstätigen haben folgendes Problem: …) Oder eine Tatsache, von der noch niemand gehört hat (Bei neuen Müttern verändert sich die Hirnstruktur auf neuronaler Ebene rasend schnell.) Alles, was Staunen auslöst, Kopfschütteln, Irritation, ist hier erlaubt. 

 

Überlege dir bei diesem Einstieg vorher gut, ob dein Fakt dafür geeignet ist. Manchmal finden wir in unserer Bubble eine Information sehr überraschend, die andere gar nicht einordnen können, weil ihnen die Erfahrung oder das nötige Wissen fehlt. Oder es ist eine Zahl, die schon häufig durchs Dorf getrieben wurde. Am besten probierst du deinen Fakt mal bei Leuten aus, die keine Expert*innen in deinem Gebiet sind und/oder zu deiner Zielgruppe gehören. Deren Reaktion ist ein guter Gradmesser dafür, ob deine Idee funktionieren kann. 

 

Beispiel: Michèle Liussi und Katharina Spangler: Täglich grüßt das Schuldgefühl. humboldt, 2022

Einstieg als Anleitung

Einige Ratgeber starten auch mit einer Art Übersicht oder Anleitung: Was erwartet die Leser*innen im Buch? Wie sollen sie am besten damit arbeiten? Das ist besonders dann sinnvoll, wenn eine besondere Methode durchs Buch führt oder die einzelnen Teile nicht chronologisch gelesen werden sollen/müssen. 

 

Eine reine Zusammenfassung der Inhalte einzelner Kapitel halte ich für wenig sinnvoll. Das hat er Sachbuchcharakter und kommt relativ tröge daher. 

 

Beispiel: Ute Steffens: Mit Kindern durch die Trennung – ein therapeutisches Lesebuch. edition claus, 2022

Vorwort: ja oder nein?

Das alles kannst du entweder als Vorwort gestalten oder als erstes Kapitel. Je nachdem, wie lang und wie persönlich es werden soll und wie sehr es sich vom Stil des restlichen Buches unterscheidet. Kurz, sehr persönlich, andere Ansprache? Dann lieber als Vorwort. Aber Vorsicht: Dann gibt es einen Cut, bevor der eigentliche Ratgeber losgeht. Du musst deine Leser*innen also auf jeden Fall mitnehmen. Am Ende ist es dann aber wie so oft Geschmackssache. Einige mögen Vorworte, andere nicht. Wichtig ist nur: Vorworte müssen etwas Substanzielles beitragen, auch sie müssen einen Mehrwert bieten. Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte einfach direkt einsteigen. Und: natürlich folgt auch nach einem Vorwort wieder ein neuer Einstieg. 

Lohnt sich ein externes Vorwort?

Einige Ratgeber starten auch mit einem Vorwort einer anderen Person. Das ist sicher hilfreich, wenn diese sehr bekannt ist, als Expert*in für dein Thema gilt und/oder viel Reichweite mitbringt und deinen Ratgeber dann auch mit dir gemeinsam anpreist. Das Vorwort sollte dann aber trotzdem einen originellen Gedanken enthalten, einen neuen Blickwinkel auf die Sache, irgendetwas, was seine Existenz rechtfertig - abseits von guter PR. Denn du bist der Experte oder die Expertin, du bringst gute Tipps und Ratschläge mit, du weißt, wovon du schreibst. Dann musst du dich nicht zwingend noch von jemand anderem darin bestätigen lassen.

 

Michèle und ich haben für unser erstes Buch „Die Klügere gibt ab“ Inke Hummel als Vorwortschreiberin gewinnen können. Das hat deshalb so gut gepasst, weil sie uns verkuppelt hat. Nur dadurch sind wir Co-Autorinnen geworden, nur deshalb existiert das Buch überhaupt. Dieser Bezug ist nicht konstruiert, sondern hängt so eng mit dem Projekt zusammen, dass aus unserer Sicht das Vorwort gut passt. 

Finde deinen perfekten Einstieg

Das alles sind Möglichkeiten, in einen Ratgeber zu starten. Ideen, an welchem Punkt du ansetzen könntest. Es gibt sicher noch viele weitere und oft lässt sich ein gelungener Einstieg nicht einem Typ zuordnen, sondern sogar mehreren. Thema und persönliche Geschichte vermischen sich. Die Fakten illustrieren das Problem. Die Expertise wird anhand des Ziels deutlich gemacht. Und so weiter. Mithilfe meiner Vorschläge kannst du aber sicher schon brainstormen und Ideen für den Einstieg in deinen eigenen Ratgeber finden. Viel Spaß dabei.


Du steckst trotzdem noch fest? Findest keinen Einstieg oder kommst an anderer Stelle mit dem Schreiben nicht weiter? Oder du bist schon fertig, brauchst aber ein Lektorat? Dann melde dich gerne bei mir!