Die Kranichfrau. Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen - Rezension
CJ Hauser, Dozentin für Kreatives Schreiben, Journalistin (u.a. The New York Times) und Autorin hat mit ihrem Essay „Die Kranichfrau“ für Furore gesorgt. Ende 30, Single, kinderlos und nicht mehr fremdbestimmt, wie geht das? Diese Frage hat Millionen Leser*innen umgetrieben und mit dem gleichnamigen Essayband, der heute bei C.H. Beck erscheint, geht sie ihr noch tiefer auf den Grund.
Weibliche Identität jenseits von gesellschaftlichen Erwartungen
Was macht weibliche Identität aus? Wie sehr definiert uns eine Partnerschaft und wie kann man sich aus gesellschaftlichen Zwängen diesbezüglich befreien? Sind „Titten“ nur für andere da, oder auch für mich selbst? Wer bin ich als Frau neben meinen Rollen als Tochter, Geliebte, Freundin, Schwester und immer auch potenzielle Mutter? CJ Hauser schreibt darüber, wie sie sich „… davon überzeugte, dass erst meine Bedürfnislosigkeit mich liebenswert machte“ – und wie sie aus diesem zerstörerischen Gedanken wieder herausfand.
Oder, um es mit ihren eigenen Worten zu sagen:
„In diesen Essays geht es um mein Leben, wie ich es erinnere, und die Geschichten, die ich aus diesem Leben gemacht habe,
um zu verstehen, wie ich weiter darin leben soll.“
Unterhaltsame Ehrlichkeit
Und das macht sie sehr unterhaltsam und kunstvoll.
Figuren erweckt sie mit kurzen Skizzen zum Leben [„Lindsay (…), die Vögel so liebte, dass sie mit den Händen dir Form ihrer Nacken und Schnäbel nachmachte, wenn sie über sie sprach (…).“], tragische und komische Momente dürfen nebeneinanderstehen und sie nimmt ihr Leben als Schriftstellerin auch mal aufs Korn. Ihre Selbstkritik ist für uns Leser*innen aber nicht nur erfrischend, sondern auch unterhaltsam: „Denn das Wissen um die eigene Blödheit lässt sie nur selten verschwinden – es fügt ihr nur eine verschleiernde Schicht aus Scham hinzu.“
Überhaupt gelingt ihr der Spagat zwischen existenziellen Themen und humorvollen Anekdoten sehr gut. Sobald es droht, zu cheesy zu werden [„Ich habe beschlossen, dass das auch eine Art Liebesgeschichte ist. Vielleicht sogar die beste, auf die man hoffen kann.“], bekommt sie die Kurve im nächsten Satz: „Mein Trockner hat vor Kurzem beschlossen, den Geist aufzugeben.“
Scully, Mulder und die Liebe
Zum Fan wurde ich spätestens, als die Autorin sich als Akte-X-Shipperin zu erkennen gab, die die Serie auch nur wegen der der MSR (Mulder Scully Relationship) schaute, und den Begriff des „Scullymulderism“ einführte. Wer das Wesen der Liebe und die Dynamik von Beziehungen mit einer meiner Lieblingsserien (Shipperin im Herzen!) erklärt, kann nicht mehr viel falsch machen.
Das ist aber nur einer der vielen popkulturellen Bezüge, mit deren Hilfe sie ihr eigenes Leben und Lieben genauer betrachtet, auch unangenehme Wahrheiten nicht auslässt und immer wieder den Bogen zu den großen Fragen schlägt: der Marsianer, Audrey Hepburn, Kasparov, Daphne du Maurier … Egal, wie gut man sich damit auskennt, man hat definitiv Spaß dabei.
Das Wahre im Erfundenen
Bei all dem sind die Essays natürlich keine Autobiografie. Sie sind Geschichten. Interpretationen. Man bekommt einen Einblick in das Leben von CJ Hauser, in ihr Liebesleben, ihre Familienbande – und doch wieder nicht. Wo endet die Realität, wo wurde sie im Sinne der Geschichte gebogen? Das kann uns vollkommen egal sein, denn darum geht es nicht. Sondern darum, wie viel Wahrheit sie abseits davon enthalten.
„Ich werde diese losen Enden nicht für euch verknüpfen. Ich werde sie nicht für mich verknüpfen.
Ich habe so hart daran gearbeitet, sie zu entwirren. Und ich werde sie nicht wieder zusammenführen,
nur um eine erzähltechnisch ordentliche Arbeit abzugeben.“
CJ Hauser
Die Kranichfrau
Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen
übersetzt von Hanna Hesse
C.H. Beck, 2023
Danke an C.H. Beck für das Rezensionsexemplar.
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